Den
Kraftstoffverbrauch messen – aber bitte richtig! Jedoch, diese im großen und ganzen stoische Hinnahme einer branchenweiten Fehlinformation könnte ein jähes Ende finden. Nämlich dann, wenn die Hersteller beim Überschreiten eines gesetzlichen CO2-Limits dafür Strafe zahlen müssen – die letzten Endes der Kunde mit einem höheren Preis zu begleichen hat. Doch das ist noch lange nicht alles. Viel gravierender ist, dass dieser längst nicht mehr neue NEFZ, wie noch gezeigt wird, zu falschen Zielvorgaben bei der Entwicklung von Autos führt. Kurzer Rückblick Die Kontroversen um die Aussagekraft „amtlich“ ermittelter Verbrauchswerte sind so alt, wie die relevanten Vorschriften selbst. Um die Irreführung durch die viel zu günstigen Verbrauchsangaben nach der alten DIN 70020 zu beenden, wurde 1978 in Europa der „Drittelmix“ eingeführt. An den Abgaszyklus, der den innerörtlichen Verkehr simulieren soll, wurden zwei weitere „Zyklen“ angehängt, beide genau so lang, wie der Stadtzyklus: konstant 90 km/h und 120 km/h für Landstraße und Autobahn. Die über die drei Abschnitte gemittelte Geschwindigkeit betrug 76 km/h. Es bürgerte sich ein, die drei einzelnen Messwerte zu dem sog. (inoffiziellen) Drittelmix zusammenzufassen. Aber das Ergebnis konnte nicht befriedigen: Die so ermittelten Verbräuche lagen noch immer weit unter den im Fahralltag beobachteten. Die Gegenwart Diesem Manko sollte mit dem 1996 eingeführten „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) ein für alle mal abgeholfen werden. Der Stadtzyklus blieb erhalten, die beiden Konstantfahrten wurden durch einen kurzen Schnellfahrzyklus ersetzt; er enthält Beschleunigungsphasen, und ganz kurzzeitig wird Tempo 120 km/h erreicht. Mit einer mittleren Geschwindigkeit von nur 32,5 km/h ist dieser NEFZ extrem langsam. Ein Zuckeltrab; ganz und gar unrealistisch, wie Kenner der Materie schon vor seiner Einführung warnten (siehe AR Nr.49 vom 30. November 1995, S.27/28). Kein Wunder, dass auch die dieserart ermittelten Verbräuche völlig daneben liegen; wiederum sind sie viel zu niedrig (siehe Kerschbaum & Marquardt (1997)). Und auch das wurde vorausgesagt: Neben einer Täuschung der Verbraucher führt dieser Zyklus zwangsläufig zu einer Verfälschung der Zielvorgaben bei der Entwicklung. Ausgerechnet derjenige Fahrwiderstand, der sich am kostengünstigsten reduzieren lässt, nämlich der Luftwiderstand, wird infolge des amtlich verordneten Kriechtempos völlig unterbewertet. Das unter anderem mit der Folge, dass die Reduzierung des Luftwiderstandes seit Einführung des NEFZ auf breiter Front nahezu zum Stillstand gekommen ist. Dieser Mangel des NEFZ ist den Fahrzeugherstellern natürlich nicht verborgen geblieben. Einige von ihnen sind deshalb darangegangen, eigene Zyklen zu kreieren (siehe Reiser et al. (2008)). Es gelang, das modellspezifische Fahrverhalten typischer Kunden in repräsentativen Fahrkurven abzubilden. Die Resultate sind frappierend: Im Vergleich zum NEFZ spielen in den OEM-eigenen Zyklen die Fahrwiderstände eine weit größere Rolle. Insbesondere der Luftwiderstand. Seine Reduzierung führt zu einem bis zu dreimal so hohen Verbrauchsgewinn, wie nach dem NEFZ! Die Realität auf der Straße Wie sieht es in der Wirklichkeit aus? Das zu klären bemühen sich solche Organe, die sich den Autofahrern verpflichtet fühlen: Autozeitschriften und Automobilclubs. Drei unterschiedliche Wege wurden dabei beschritten:
Tabelle: Verbräuche in l/100 km; NEFZ und ams Test aus ams 22/2008, ADAC & FIA aus EcoTest (www.ecotest.eu).
Der Vergleich der Messwerte zeigt: Die von ams ermittelten Verbräuche liegen deutlich über denen aus dem NEFZ. Was davon auf das Konto der Höhendifferenz des Kurses geht und was einem (nicht bezifferten) höheren Durchschnittstempo anzulasten ist, kann anhand der vorliegenden Daten nicht differenziert werden. Die vom ADAC im EcoTest gemessenen Werte liegen zwischen denen aus den beiden anderen Tests. Nach Feedback von den Mitgliedern geben sie die Realität gut wieder. Ein Versuch mit 30 Fahrern aus dem Hause ADAC, die fünf Kleinwagen im Alltagsverkehr bewegten, ergab sogar eine sehr gute Übereinstimmung mit dem ADACEcoTest (siehe ADACmotorwelt 11, Nov. 2008). Vom oben diskutierten Zyklus nach Reiser et al. liegen keine Zahlen vor. Fazit Vergleichbarkeit ist ein notwendiges, aber keineswegs ein hinreichendes Kriterium für einen brauchbaren Zyklus. Das sei all denen ins Stammbuch geschrieben, die mit dem Hinweis auf eben diese Vergleichbarkeit jedwede Diskussion über realistischere Zyklen im Keim zu ersticken versuchen. Kein Zweifel, der NEFZ liefert vergleichbare Werte. Aber, er berücksichtigt nicht, wie die Fahrzeuge tatsächlich gefahren werden. Das hat zur Folge, dass der Verbrauch zu niedrig ermittelt und dass der Einfluss verschiedener physikalischer Parameter auf den Verbrauch falsch bewertet wird. Besonders krass trifft das auf den Luftwiderstand zu, der marginalisiert wird. Kein Wunder: Seit Einführung des NEFZ ist seine Entwicklung hin zu niedrigeren Werten nahezu zum Stillstand gekommen. Die damals (1995) gestellte Prognose hat sich leider voll erfüllt. Um diese amtlich verordnete Fehlentwicklung zu beenden, ist es an der Zeit, endlich einen Messzyklus einzuführen, der sich an der Realität orientiert, nicht an Bürokratie oder gar an Politik. Und zu dem gelangt man, indem man ganz pragmatisch vorgeht: also, den NEFZ beibehalten und ihm, wie mit dem EcoTest praktiziert, einen echten Schnellfahrzyklus anhängen. WHH 3.12.2008 Literatur Kerschbaum, H., Marquardt,
M. (1997): Die Aerodynamik des neuen 5er BMW, 2. Stuttgarter Symposium
Kraftfahrwesen und Verbrennungsmotoren, Ed. U. Essers, FKFS, Stuttgart,
pp. 496 - 510.
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